Wie ein schwäbischer Dionysos um den Erhalt des Weines kämpft

Oktober 1998

 

Viel Applaus für das neue Elser-Singspiel des Liederkranzes Weiler

 

Es ist schon eine höchst bedrohliche Situation, die da im Raume steht:

Göttervater Zeus will alle Weinreben der Erde verdorren lassen, weil ihm der Lebenswandel seines für diesen Bereich zuständigen Sohnes Dionysos gewaltig gegen den Strich geht. Der aber will den "Göttertrank" nicht kampflos aufgeben. Um dieses Thema herum hat die bekannte Heimatautorin Lisa Elser "ihrem" Liederkranz Weiler ein Singspiel gestrickt, das gestern abend in der Bernhardushalle seine vielumjubelte Premiere hatte, und heute abend sowie morgen nachmittag wiederholt wird.

 

Drei Dinge versteht Lisa Elser meisterlich. Da ist zum einen die Auswahl beliebter Lieder, die in gekonntem Wechsel zwischen Solisten und Chor vorgetragen werden. Wie auch in ihren Büchern spielt sie dabei geschickt auf der Gefühls-Klaviatur des Publikums - wer wäre zum Beispiel nicht gerührt, wenn zwei "Göttinnen" ihre Kinder mit dem Abendlied aus Humperdincks Oper "Hänsel und Gretel" in den Schlaf singen. Dazwischen vernimmt der Zuhörer allerlei witzige Dialoge.

Tolle Bilder werden auf die von Herbert Baur und Berthold Feifel mit großem Aufwand gestaltete Bühne gezaubert. Der Liederkranz hat keine Mühe gescheut und beim Nationaltheater Mannheim eine Fülle passender Kostüme ausgeliehen. Treffend gestaltet Elser ihre Charaktere: Dionysos (Michael Kietzmann mit tollem Bass-Solo) wird auf dem Diwan liegend in den Saal getragen; der im Götterstreit als Schiedsrichter beigezogene Philosoph Diogenes (wer könnte ihn besser spielen als Hannes Dunkl) sitzt hintergründig lächelnd auf seiner Tonne.

Der dem mythologischen Thema innewohnenden Gefahr einer zu abgehobenen Handlung begegnet Elser mit einem breit schwäbisch schwätzenden Dionysos und der Abfolge populärer Lieder über den Wein. Bei Stücken wie "Als Büblein klein an der Mutterbrust", "Von der Traube in die Tonne" oder "Lindenwirtin, du junge" möchte das Publikum schier mitschunkeln.

 

Nachdem sich Dionysos ("Lass' die Menschen aller Länder sich zum Wein äußern") und Zeus ("Wäre es nicht besser, einen Philosophen zu fragen?") auf einen Kompromiss zwischen beidem geeinigt haben, kommt es auch zu sehr interessanten "Länder-Szenen". 

 

Da ist zum einen die spanische Episode, in der Liederkranz-Vorsitzender Richard Arnold als Escamillo und Stephan Kirchenbauer als José glänzen. Ein wirklicher Höhepunkt ist aber der Auftritt von Inge Bidlingmaier als Carmen. Sie hat einst beim Liederkranz Weiler mit dem Singen angefangen, später Gesang studiert und hat inzwischen ein Engagement an der Oper Amsterdam.

Wie die Sache ausgeht, wird hier nicht verraten. Höchstens noch, dass es auch noch eine Szene mit Wiener Weinliedern gibt, in der kurz nach ihrem 100. Todestag sogar die selige Sissy auftaucht.

 

Wer denn unbedingt kritisieren wollte, könnte sagen, dass diese Geschichte nach einem bestimmten Muster gestrickt ist, das man von Lisa Elser kennt.

 

Aber zum Glück sind wir über die Zeit hinaus, wo Kunst nur gut war, wenn sie schockierend neu daherkam. Hier wird ein erfolgreiches Konzept in ein neues Thema geführt, und das Publikum ist begeistert. Gestern abend jedenfalls gab es lange Beifallsstürme für alle Akteure.

 

(Manfred Laduch, RZ vom 10.10.98, bearb. von H. Linke)

 

Auch das gehört zum Theaterspielen dazu!

Geselligkeit in den Pausen während der Proben.